Immer wieder taucht die The Ordinary Argireline Solution im Zusammenhang mit „Botox in a Bottle“ auf. Ein Schelm wer dabei an geschicktes Marketing seitens PR-Agenturen und The Ordinary selbst denkt. Social Media Hypes, die dank Kooperationen mit Influencern und Influencerinnen entstehen, sind vor allem im internationalen Raum nicht mehr wegzudenken. Aber auch bei uns bedienen sich Unternehmen dieser Methode um Verkäufe zu generieren. Behält man das im Hinterkopf ist man besser gefeit vor Fehlkäufen und potenziellen Enttäuschungen.
Was ist Argireline?
Argireline® ist eine durch das Unternehmen Lipotec S.A. eingetragene Wortmarke. Diese wird genutzt um einen Rohstoffkomplex mit Acetylhexapeptid-8 zu vertreiben. Jenes Peptid wird dank Social Media immer wieder mit Botulinumtoxin A verglichen, welches unter anderem zur Faltenreduktion durch temporäre Muskellähmung in der ästhetischen Medizin Verwendung findet. Warum? Weil das synthetische Peptid in-vitro ähnliche Wirkmechanismen zeigt. Aber lässt sich das auch auf Kosmetikprodukte übertragen? Schauen wir uns einfach mal die Fakten an!
Die am häufigsten zitierte Studie …
… ist nicht ohne Makel. Diese wurde 2002 an zehn Probandinnen durchgeführt, welche zwei Mal täglich für 30 Tage eine Emulsion mit 10 % Peptidlösung und ein Sample ohne Peptid im seitlichen Augenbereich auftragen sollten. Ergebnis: die Emulsion mit dem Peptid hatte einen besseren Effekt auf Fältchen rund ums Auge als diejenige die das Peptid nicht enthielt. Der Haken daran? Zum einen war die Probandenanzahl recht klein. Zum anderen wurde mit P < 0,075 das Signifikanzniveau im Vergleich zu den gängigen 0,05 relativ hoch angesetzt. Das ist ein Hinweis auf schwächere Evidenz, da die Wahrscheinlichkeit für Zufallseffekte steigt. Außerdem fehlen jegliche Informationen zu den Probandinnen wie Ursprungszustand der Haut, Alter, Hautbeschaffenheit usw.
Dass überdies Diagramme im Paper nicht ordentlich beschriftet sind, wirkt aus meiner Sicht etwas unprofessionell und schafft zu viel Raum für Interpretationen – schließlich geht’s hier um die schiere Visualisierung von Daten. Hinzu kommt, dass die Studie durch Lipotec S.A. mitfinanziert wurde wodurch ein gewisser Interessenkonflikt nicht ausgeschlossen werden kann.
Wenngleich die Studie Hinweise auf einen möglichen Effekt von Argireline liefert, ist sie mit Vorsicht zu genießen und nicht pauschal auf die Bevölkerung oder irgendwelche Hautpflegeprodukte übertragbar.
In der Zwischenzeit wurden – zum Teil qualitativ bessere – Studien am Menschen durchgeführt, die allerdings aufgrund kleiner Probandenanzahl oder subjektiver Testmethoden nur bedingt repräsentativ sind. Das sind übrigens Aspekte auf welche die Forschenden selbst hinweisen. Hinzu kommt, dass injiziertes Botulinumtoxin A und Kosmetikprodukte mit Argireline bisher nicht direkt miteinander verglichen wurden.
Argireline ist keine Alternative für Botox
Eine der größten Herausforderungen ist die Molekülgröße und Hydrophilie (Liebe zu Wasser) des Acetylhexapeptids. Dadurch gelangt es nur schwer in die Haut. Gerade mal 0,01 % Acetylhexapeptid konnten in der Epidermis nachgewiesen werden nachdem eine O/W-Emulsion mit 10 % Peptidlösung aufgetragen wurde (in-vitro). Deshalb sind allein aufgrund dessen Vergleiche mit Botulinumtoxin extrem übertrieben, da das Peptid nicht so tief in die Haut eindringen kann um solch eine Wirkung zu entfalten. Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, wäre eine durch kosmetische Mittel verursachte Muskellähmung definitiv problematisch und nicht mit unserem Gesetz vereinbar.
Natürlich ist es möglich Peptide so zu modifizieren dass sie die Hornschicht besser passieren können. Zudem existieren Stoffe welche permeationsfördernd wirken wie z. B. Propylenglykol. Außerdem können Marken mit Verkapselung, Mikroemulsionen & Co. arbeiten um Stoffe in die Haut zu transportieren. Aber inwiefern man solch eine Vorgehensweise – vor allem bei bezahlbarer Kosmetik – erwarten kann, ist fraglich.
Des Weiteren konnte in einer Untersuchung gezeigt werden, dass manche Kosmetikprodukte trotz deklariertem Acetylhexapeptid diesen Stoff nicht enthielten oder ein Teil davon oxidiert war. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass dessen Wirksamkeit auch von der Formulierung sowie Stabilität entsprechender Produkte abhängt.
Was kann man nun erwarten?
Das möchte ich euch gern an einem Produktbeispiel erklären und zwar dem Balea Beauty Expert Fine Line Freezer. Balea verspricht:
2 % Argireline Peptide, ein hochwirksamer Hexapeptid-Komplex wirkt durch den Freezing-Effekt gezielt gegen Fältchen und Linien.
Zunächst einmal beläuft sich die beworbene Konzentration auf zwei Prozent. In den meisten Studien wurden höhere Konzentrationen untersucht. Selbst die vom Rohstoffanbieter mitfinanzierte und oft zitierte Studie wurde mit zehnprozentiger Peptidlösung durchgeführt. Dass das Peptid in eine Emulsion eingearbeitet wurde, ist schon mal ein Pluspunkt. Denn es scheint zumindest so, dass es in Emulsionen etwas besser von der Haut aufgenommen wird als in rein wasserbasierten Produkten. Deshalb solltet ihr lieber auf Cremes & Co. setzen
Es gibt bisher nur wenige repräsentative Studien bezüglich der Wirkung von Argireline auf Falten im kompletten Gesicht – hier ist noch mehr unabhängige Forschung von Nöten, die unterschiedliche Faktoren, Hautareale aber auch geringere Konzentrationen einbezieht. Von daher bin ich skeptisch was den ausgelobten Freezing-Effekt betrifft.
Peptide sind hygroskopisch und können so die Feuchtigkeitsversorgung unserer Haut bei regelmäßiger Anwendung durchaus verbessern – ähnlich wie es bei Glycerin, Hyaluron, Kollagen und vielen anderen Stoffen der Fall ist. Eine gut durchfeuchtete Haut kann nicht nur praller aussehen, sondern ganz nebenbei das Erscheinungsbild von Fältchen positiv beeinflussen. Diese Wirkung ist aus meiner Sicht deutlich wahrscheinlicher als „Botox in der Flasche“ zu kaufen.
Quellen
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Henseler, H. (2023). Investigating the effects of Argireline in a skin serum containing hyaluronic acids on skin surface wrinkles using the Visia® Complexion Analysis camera system for objective skin analysis. PubMed, 12, Doc09. https://doi.org/10.3205/iprs000179
Kluczyk, A., Ludwiczak, J., Modzel, M., Kuczer, M., Cebrat, M., Biernat, M. & Bąchor, R. (2021). Argireline: Needle‐Free Botox as Analytical Challenge. Chemistry & Biodiversity, 18(3). https://doi.org/10.1002/cbdv.202000992
Mortazavi, S. M. & Moghimi, H. R. (2022). Skin permeability, a dismissed necessity for anti‐wrinkle peptide performance. International Journal Of Cosmetic Science, 44(2), 232–248. https://doi.org/10.1111/ics.12770
Olsson, S. E., Sreepad, B., Lee, T., Fasih, M. & Fijany, A. (2024). Public interest in acetyl hexapeptide-8: longitudinal analysis. JMIR Dermatology, 7, e54217. https://doi.org/10.2196/54217
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