Das Thema Kopfhautpflege hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen und wird uns wahrscheinlich in Form von sogenannten Kopfhautseren noch eine Weile begegnen. Als Drogistin interessiert mich natürlich nicht nur was es mit dieser Entwicklung auf sich hat, sondern auch ob’s Nachteile gibt. Denn Kunden und Kundinnen kann man nur gut beraten wenn man selbst ausreichend informiert ist.
Was ist Kopfhautpflege?
Kopfhautseren und -tonika warten mit den wildesten Versprechen auf: dichteres Haar, mehr Feuchtigkeit, weniger graue Haare. Einfach regelmäßig auf die Kopfhaut auftragen und den Haaren beim Wachsen zusehen? Klingt zu schön um wahr zu sein, oder? Während durchaus reizlindernde und hydratisierende Inhaltsstoffe wie Glycerin, Panthenol und Hafer existieren, ist dennoch Obacht geboten um nicht in die Marketingfalle zu tappen.
Kosmetische Mittel, die das Ergrauen des Haares nachweislich verhindern und das Haarwachstum von Außen positiv beeinflussen können, sind zum aktuellen Zeitpunkt praktisch inexistent – vor allem wenn man sich nicht allein auf firmeninterne Informationen verlassen möchte. Beispiel gefällig? Momentan wird ätherischen Ölen ein wachstumsfördernder Effekt angedichtet. Dabei sind die meisten durchgeführten Studien zur Untermauerung des Claims „Ätherische Öle fördern das Haarwachstum“ sehr widersprüchlich, uneindeutig, von mangelnder Qualität oder werden zu Marketingzwecken fehlinterpretiert.
Jahrzehntelang wurde Birkenwasser fälschlicherweise als Haarwuchswundermittel bezeichnet.
Auch das allseits beliebte und seit Jahrzehnten bekannte Birkenwasser, welches wir nach wie vor in den Drogerieregalen finden, wurde über Generationen hinweg als Haarwuchswunder verkauft. Erst etliche Jahre später haben Tests aufgezeigt, dass Birkenwasser keine Wunder vollbringt. Nichtsdestotrotz kann ich durch den Kundenkontakt in der Drogerie bestätigen, dass der Mythos sich nach wie vor hartnäckig hält.
Kaum Vorteile, dafür viele Nachteile
Ich persönlich stehe der Kopfhautpflege eher skeptisch gegenüber. Warum? Weil nicht jede Person ein Kopfhauttonikum oder -serum benötigt und viele Marken Dinge behaupten die aus wissenschaftlicher Sicht weder Hand noch Fuß haben.
Wenngleich unsere Kopfhaut – zumindest wenn sie gesund ist – sehr robust und mehr als doppelt so dick wie unsere Haut im Gesicht ist, kann sie unter bestimmten Bedingungen gereizt und allergisch reagieren. Das Problem: wirklich viele der trendigen Kopfhautprodukte enthalten reizende oder gar allergieauslösende Inhaltsstoffe, die im Gegensatz zu Shampoo auf der Haut verweilen. Leider können immerwährende Irritationen aber auch allergische Reaktionen bei manchen Personen sogar kurzzeitig zu Haarausfall führen, was den haarwuchsfördernden Versprechen bestimmter Marken widerspricht.
Achtet auf diese Inhaltsstoffe
- Isopropanol (INCI: Isopropyl Alcohol) & Ethanol (INCI: Alcohol, Alcohol denat.) welches aufgrund der schnellen Verdunstung für den typischen Kühleffekt und eine gewisse Leichtigkeit sorgt, aber bei empfindlicher und strapazierter Kopfhaut auch zu dem typischen Brennen sowie Stechen führen kann. Da Alkohol zusätzlich penetrationsfördernd wirkt, ist die Wahrscheinlichkeit höher dass potenziell reizende oder allergieauslösende Stoffe besser in die Haut gelangen. Außerdem ist noch nicht in Gänze geklärt wie sich hohe Konzentrationen bei dauerhafter Verwendung auf das Hautmikrobiom auswirken – vor allem in Kombination mit anderen Stoffen.
- ätherische Öle & Duftstoffe (INCI: Mentha Piperita Oil, Rosmarinus Officinalis Leaf Oil, Menthol, Geraniol, Hydroxycitronellal) die nicht nur den Rohstoffgeruch überdecken, sondern auch an Thermorezeptoren andocken und einen Kühleffekt vermitteln können z. B. mithilfe von Menthol. Leider sind manche dieser Stoffe nicht nur hochallergen, sondern spalten bei Sauerstoffkontakt on top reizende Substanzen ab. Schaut euch hierzu gern mal meinen INCI-Helfer an!
Hier sind zwei Beispiele!
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Wenngleich das Haarserum von Elvital auch ein paar vorteilhafte Inhaltsstoffe vorweisen kann, ist bei dauerhafter Verwendung ein positiver Effekt aus meiner Sicht fraglich, da es zu einem Großteil aus Wasser, vergälltem Alkohol und feuchtigkeitsbindendem Butylenglykol besteht. Den Anti-Fett Effekt kann man dem Ethanol zuschreiben, der mit dem Talg interagiert und schnell verdunstet was die Haut matter erscheinen lässt.
Das Body Serum von The Ordinary eignet sich durchaus zur Kopfhautpflege, da ich es für den Körper zu flüssig finde. Hier wurde zumindest auf potenziell reizende, allergieauslösende ätherische Öle und Duftstoffe verzichtet. Vor allem Personen die immer wieder mit trockener, gereizter oder öliger Kopfhaut zu kämpfen haben, sollten lieber zum Body Serum greifen. Der niedrige pH-Wert zwischen 3,2 und 4 kann zusätzlich unterstützend wirken, da strapazierte Kopfhaut einen erhöhten pH-Wert aufweisen kann.
Kopfhautpflege = Problemlöser?
Wenn eure Kopfhaut happy ist, benötigt ihr sehr wahrscheinlich kein zusätzliches Pflegeprodukt. Denn unsere Kopfhaut ist allein durch ihre Dicke, das Haar sowie den Talg hervorragend vor äußeren Einflüssen geschützt. Wem der Schutz durchs Haar fehlt oder einfach experimentierfreudig ist, sollte möglichst auf hautfreundliche Produkte setzen. Es spricht außerdem absolut nichts dagegen ein mildes Serum oder Gesichtswasser, welches man gern im Gesicht nutzt auch auf die Kopfhaut aufzutragen.
Da ich selbst eine empfindliche Kopfhaut habe und von einer Duftstoffallergie betroffen bin, machen sich Irritationen ratzfatz bemerkbar. Hier sollte dennoch der erste Schritt sein diejenigen Produkte zu überprüfen die man regelmäßig nutzt z. B. das Shampoo, Haarspray & Co. bevor man sich ein neues Kopfhautwässerchen zulegt um diesem Problem Herr zu werden. Auch zu häufiges aber auch heißes Waschen, Bürsten und Föhnen können der Kopfhaut zusetzen. Ihr seht, hier gibt’s ein paar Stellschrauben an denen es sich zu drehen lohnt.
Ich habe mehrere Wochen das alverde Kopfhaut Balance Pflegeserum und das Eucerin Urea Treatment verwendet.
Abschließend muss ich folgendes Fazit ziehen: nachdem ich selbst meine Kopfhaut über mehrere Wochen mit zwei Produkten gepflegt habe, bin ich noch weniger überzeugt. Diese haben weder zu einer Verschlechterung noch einer Verbesserung geführt, waren aber umständlich in der Anwendung – und im Fall des Eucerin Treatments* – kostenintensiv.
Mit Kopfhautseren & Co. werden Bedürfnisse geweckt die vorher nicht da waren. So funktioniert Marketing. Es ist okay die Kopfhaut nicht zu pflegen. Vom wissenschaftlichen Standpunkt her wirken die meisten Produkte ähnlich wie normale Hautpflegeprodukte. Kühlende und durchblutungsfördernde Effekte sind temporär und hängen oftmals mit bewusster Irritation zusammen. Wer euch alkoholische Lösungen mit ätherischen Ölen als haarwuchsförderndes Wundermittel verkaufen möchte, will nur eins: Geld verdienen und wahrscheinlich nicht euer Bestes.
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Quellen
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NDR. (2020, 22. März). Zeitreise: Als Birkensaft zum Haarwuchswunder wurde. https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_magazin/zeitreise/Zeitreise-Als-Birkensaft-zum-Haarwuchswunder-wurde,zeitreise2580.html
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