In den letzten Jahren ist das Interesse für sogenannte Lip Plumper immens angestiegen. Mittlerweile sind die Lippenprodukte mit Kribbeleffekt aus unseren Drogerien nicht mehr wegzudenken – egal, ob mit Eisbonbongeschmack oder Ingwerduft. Aus meiner persönlichen Sicht sind diese Produkte allerdings nicht so innovativ wie manch eine Marke es darstellen mag.
Im Video probiere ich selbst einen Lip Plumper aus
Wie funktionieren Lip Plumper?
Lip Plumper sollen die Lippen für ein paar Stunden größer erscheinen lassen. Aber im Gegensatz zum gängigen Lipgloss, welcher eher einen optischen Effekt aufweist, setzen Lip Plumper oftmals auf einem Kombi aus optischem Effekt sowie bewusster Irritation der Haut, welche nach ca. 15 Minuten zu einer Schwellung führt.
Auch wenn verschiedene Stoffe für den anschwellenden Effekt sorgen können wie z. B. Benzylnicotinat, Menthol oder Vanillylbutylether, ist in Lip Plumpern meistens Chili und/oder deren Bestandteile zu finden. Ihr könnt diese Bestandteile an folgenden Bezeichnungen in der Inhaltsstoffeliste erkennen: Capsicum frutescens fruit extract, Capsicum frutescens resin, Capsaicin. Aufgrunddessen liegt mein Augenmerk heute darauf.
Der Effekt von Lip Plumpern basiert unter anderem auf den Capsaicinoiden in der Chilipflanze, zu denen Capsaicin und Dihydrocapsaicin gehört. Diese aktivieren ganz bestimmte Rezeptoren die unter anderem Bestandteil der Haut sind. Das wiederrum hat zur Folge, dass in unserem Gehirn eine Schmerzwahrnehmung bzw. der Kribbeleffekt entsteht. Diese Mechanismen werden auch ganz bewusst in Schmerztherapien genutzt, da eine langfristige Anwendung auf der Haut dazu führt dass die Rezeptoren blockiert werden und der Schmerz weniger intensiv wahrgenommen wird – hierfür reicht bereits eine regelmäßige Verwendung von 0,075 % Capsaicin aus.¹
Aber das ist noch nicht alles.
Deshalb werden die Lippen größer
Das Triggern dieser Rezeptoren und den daraus resultierenden Signalen kann zu einer entzündlichen Reaktion führen, die für Rötungen und Schwellungen sorgt². Zweiteres ist bei Lip Plumpern erwünscht, weil geschwollenes Gewebe logischerweise größer erscheint als im Normalzustand.
Die ?-Konzentrationen in Kosmetika belaufen sich auf bis zu 5 %. Das heißt die tatsächliche Menge an Capsaicinoiden wie z. B. Capsaicin variiert je nach verwendetem Rohstoff. Nur um das in Relation zu setzen: eine frische Chili enthält zwischen 0,1 und 1 % Capsaicin³.
Gefährliches Marketing?
Sind Lip Plumper gefährlich, weil sie die empfindliche Haut der Lippen bewusst reizen sollen? Nein, aber aus hautpyhsiologischer Sicht sind sie nicht unbedingt empfehlenswert. Fragwürdiger finde ich, dass Marken diese Produkte als Innovation verkaufen wollen und teilweise keinerlei Hinweise bezüglich des Irritationspotenzials auffindbar sind – denn Capsaicin ist bereits in sehr geringen Konzentrationen reizend für die Haut.
Eines der wenigen Positivbeispiele ist für mich defintitiv der Lip Plumper von essence (What The Fake Extreme Lip Plumping Filler), da auf der Website empfohlen wird das Produkt nicht auf empfindliche oder gereizte Haut aufzutragen. Außerdem wird transparent angegeben, dass der Lipgloss 0,3 % Capsaicin enthält. Das heißt in der kompletten Lipglosshülse befindet sich ca. 13 mg Capsaicin.
Alles eine Frage der Exposition?
Dieser Beitrag wäre wahrscheinlich wenig hilfreich, wenn wir uns nicht auch noch anschauen würden wie viel Capsaicin aufgrund der Verwendung von Lip Plumpern tagtäglich in Kontakt mit unseren Lippen kommt. Das herauszufinden war gar nicht so einfach, weil dazu kaum Daten existieren. Deshalb habe ich mich an etlichen Forenbeiträgen der Beauty- und Pan Community orientiert und Kommentare von über 100 Menschen ausgewertet. Betrachtet die Zahlen dementsprechend mit einem Augenzwinkern. Laut meinen Recherchen benötigt eine Person durchschnittlich drei Monate, um einen Lipgloss aufzubrauchen. Im Fall des Essence Lipgloss wären das 1,4 ml pro Monat, also ca. 0,046 ml pro Tag und dementsprechend 0,14 mg Capsaicin.
Fazit
Meine persönliche Meinung zu Lip Plumpern hat sich nicht wirklich verändert, sondern nach der Recherche sogar gefestigt: ich als Person mit empfindlicher Haut werde sie nicht benutzen. Wer allerdings nicht darauf verzichten möchte, sollte auf die Verwendungsdauer achten, um die Hautbarriere der Lippen nicht unnötig zu strapazieren. Auch der penetrationsfördernde Effekt des Capsaicins darf nicht vernachlässigt werden. Somit können nämlich potenziell allergieauslösende oder reizende Stoffe innerhalb des Produkts besser in die Haut eindringen.
Quellen
1 Gibbons CH, Wang N, Freeman R. Capsaicin induces degeneration of cutaneous autonomic nerve fibers. Ann Neurol. 2010;68(6):888-898. doi:10.1002/ana.22126
2 Gouin O, L’Herondelle K, Lebonvallet N, et al. TRPV1 and TRPA1 in cutaneous neurogenic and chronic inflammation: pro-inflammatory response induced by their activation and their sensitization. Protein Cell. 2017;8(9):644-661. doi:10.1007/s13238-017-0395-5
3 L. Orellana-Escobedo, L.E. Garcia-Amezquita, G.I. Olivas, J.J. Ornelas-Paz & D.R. Sepulveda (2013) Capsaicinoids content and proximate composition of Mexican chili peppers (Capsicum spp.) cultivated in the State of Chihuahua, CyTA – Journal of Food, 11:2, 179-184, DOI: 10.1080/19476337.2012.716082
4 Ann M. Bode, Zigang Dong; The Two Faces of Capsaicin. Cancer Res 15 April 2011; 71 (8): 2809–2814. doi.org/10.1158/0008-5472.CAN-10-3756
Johnson, W. (2007). Final report on the safety assessment of capsicum annuum extract, capsicum annuum fruit extract, capsicum annuum resin, capsicum annuum fruit powder, capsicum frutescens fruit, capsicum frutescens fruit extract, capsicum frutescens resin, and capsaicin. International journal of toxicology, 26 Suppl 1, 3-106 .