Die Stiftung Warentest: eine Organisation, die laut eigenen Angaben den Menschen in Deutschland zur Seite steht und von ihren Interessen, Lebensweisen und ihrem Anspruch auf Transparenz geleitet wird. Aber wie transparent agiert die Stiftung wirklich und wie aussagekräftig sind ihre Testberichte?
Der Stiftung Warentest Testbericht unter der Lupe
Da kosmetische Mittel mein Steckenpferd sind, habe ich den Testbericht zu Kinder Sonnencremes für 4,90 EUR erstanden und ganz genau angeschaut. Eine abgespeckte Version findet sich auch unter diesem Link. Aus Urheberrechtsgründen kann ich den Testbericht nicht einfach teilen und muss deshalb auf das Zitierrecht zurückgreifen.
Aufbau des Testberichts
Gold für zwei Günstige (Seite 20 – 21) | Auf den ersten beiden Seiten findet sich eine kurze Zusammenfassung zum tabellarischen Überblick, welcher auf den nächsten Seiten folgt. Hier wird unter anderem auf die Wichtigkeit von Sonnenschutz hingewiesen und worauf man bei Kindern achten sollte. Das ist mir sehr positiv aufgefallen, da oft vergessen wird dass Sonnencreme nicht die einzige Möglichkeit ist sich und die Kleinen vor UV-Strahlung zu schützen.
Seite 22 – 23 | Hier sieht man alle getesteten Sonnencremes in einer Tabelle sowie deren Bewertung. Diese richtet sich nach dem Schulnotensystem, sprich 1 steht für sehr gut, 2 für gut und so weiter. Von 19 Sonnencremes sind vier komplett durchgefallen und haben somit die Benotung mangelhaft erhalten. Ich möchte nicht unbedingt auf jede einzelne Benotung eingehen, sondern hinter die Methodik blicken.
So haben wir getestet (Seite 24)
Das ist meiner Meinung nach der wichtigste Teil. Hier geht’s nämlich darum wie die Sonnenschutzmittel getestet wurden und wie sich die Bewertung zusammensetzt. Mit diesen Informationen ist es erst möglich zu evaluieren wie aussagekräftig der Testbericht ist.
Meine Kritikpunkte
Veraltete Informationen
Bevor die Methodik näher erläutert wird, gibt’s eine kurze Einführung zu UV-Filtern und deren Funktionsweise. Hier werden leider veraltete Informationen weitergegeben. Generell werden UV-Filter in anorganische und organische Filter unterteilt. Im obigen Absatz bezieht sich die Stiftung auf die anorganischen UV-Filter Zinkoxid und Titandioxid. Diese sind dafür bekannt einen weißen Schleier auf der Haut zu hinterlassen, da sie sichtbares Licht reflektieren bzw. streuen. Allerdings beruht deren Schutzmechanismus vor UV-Strahlung nicht hauptsächlich auf jenem Effekt. Nur ein sehr geringer Teil (vier bis fünf Prozent) wird reflektiert. Absorption ist nämlich das Stichwort. Das heißt die Funktionsweise mineralischer bzw. anorganischer UV-Filter ist vergleichbar mit allen anderen Filtern in Sonnencremes.
Unzureichende Transparenz
Auch wenn die Methodik zum Teil erläutert wird und wir erfahren wie die Sonnenschutzmittel getestet wurden, fehlt es aus meiner Sicht an weiterführenden Informationen um den Testbericht einordnen zu können. Die Sonnencremes wurden vorab mit der HDRS-Methode hinsichtlich ihrer Schutzleistung überprüft, um zu bestimmen ob sie den angegebenen Schutz vor UV-B und UV-A Strahlung einhalten. Allerdings ist das nicht die Methode, die von Kosmetikherstellern genutzt wird um Sonnencremes zu testen. Diese richten sich an international standardisierten Methoden wie z. B. ISO 24444 und ISO 24443, welche in vielen Teilen der Welt anerkannt sind. Und dazu gehört die HDRS-Methode bisher nicht.
Vage Aussagen
Die Produkte wurden erst nach den standardisierten Methoden (ISO 24444, 24443) untersucht, wenn es Unstimmigkeiten zwischen den Herstellerangaben sowie den Ergebnissen bei der HDRS-Methode gab. Wie genau jene Unstimmigkeiten aussahen, wird nicht weiter erläutert. Das heißt es kann theoretisch sein, dass Sonnencremes die ausschließlich den HDRS-Test bestanden haben, bei den anerkannten Methoden nach Maßstäben der Stiftung Warentest durchgefallen wären. Dass die internen Maßstäbe nicht genau kommuniziert werden, macht die Sache nicht einfacher.
Ein Aspekt, der mich besonders frustriert ist die Tatsache dass Testresultate nicht offen geteilt werden. Die durchgefallenen Sonnencremes wurden als mangelhaft eingestuft, weil sie „den ausgelobten Sonnenschutzfaktor nicht einhielten oder keinen ausreichenden UV-A Schutz boten.“ Aber was bedeutet das genau? Schwankungen bei Laboruntersuchungen sind völlig normal und werden in den Protokollen auch mit einer Messunsicherheit angegeben. Reicht bereits eine Abweichung von 0,1 % aus damit eine solch drastische Abwertung des Produkts zustande kommt? Das sind überaus wichtige Informationen, die nicht zur Verfügung gestellt werden und die eine Einordnung der Testergebnisse meiner Meinung nach unmöglich machen.
Fehlende Kommunikation
Ich habe im Zuge meiner Recherche drei Unternehmen kontaktiert, deren Sonnencremes in den letzten Jahren bei Stiftung Warentest durchgefallen sind um ihnen die Möglichkeit zu geben ihre Sicht der Dinge zu teilen. Zwei davon haben auf meine Anfrage reagiert.
Die Frage ob Stiftung Warentest ihnen die Testprotokolle zur Verfügung gestellt hat, wurde von beiden Unternehmen verneint. Laut einer E-Mail bot die Stiftung Warentest einer Gründerin, die unbedingt mehr Informationen wollte, die Übermittlung der Testprotokolle nur gegen einen Verzicht auf jegliche Schadensersatzansprüche an. Das Angebot hat die Unternehmerin aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Interessant ist auch, dass alle drei Marken ihre Testprotokolle veröffentlicht haben – noch transparenter geht’s eigentlich nicht.
Auch ich habe eine ausführliche Fragenliste mit zweiwöchiger Frist (diese Frist liegt übrigens über dem Standard für solche Anfragen) an die Stiftung Warentest geschickt und bis heute nur die Antwort erhalten, dass man aufgrund vieler Anfragen erst später auf mich zukommen könne. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, werde ich diesen Beitrag natürlich aktualisieren.
Edit: Am 31.7.23 erreichten mich die Antworten des Stiftung Warentest Leserservice per Mail. Macht euch gern selbst ein Bild ob diese aussagekräftig genug sind. Ich persönlich bleibe bei meinem unten formulierten Fazit.
Sonstiges
Die Stiftung Warentest sieht die Angabe „wasserfest“ oder „wasserresistent“ auf den Sonnencremes kritisch, da dadurch Verbraucher und Verbraucherinnen zu sehr in Sicherheit gewogen werden. Das ist für mich nicht ganz nachvollziehbar. Unternehmen müssen ihre Sonnenschutzmittel testen, um die Wasserfestigkeit zu bestimmen. Hiermit soll garantiert werden, dass nach 40-minütigem Aufenthalt im Wasser immer noch 50 % des Schutzes erreicht wird – auf diesen Umstand wird auch auf der Verpackung hingewiesen. Da UV-Strahlung auch im Wasser allgegenwärtig ist, sehe ich es nicht als Problem wenn Sonnencremes entsprechend überprüft und gekennzeichnet werden. Der Stiftung geht es vor allem darum, dass Sonnencreme nach dem Baden erneut aufgetragen werden muss. Ob es allerdings das richtige Signal aussendet per se kritisch gegenüber dem Einhalten gesetzlicher Vorgaben zu sein, ist fraglich. Denn Unternehmen dürfen ihre Sonnenschutzmittel erst als wasserfest oder wasserresistent bezeichnen, wenn sie die entsprechenden Vorgaben erfüllen.
Fazit
Diese Recherche hat mir gezeigt, dass die Stiftung Warentest viel Einfluss hat und mit ihren Testberichten dazu in der Lage ist Menschen unter Umständen zu verunsichern. Auf Grundlage der mir vorliegenden Informationen ist der Testbericht zu Sonnencremes meiner Meinung nach nicht aussagekräftig genug. Deshalb solltet ihr unbedingt weitere Quellen zu Rate ziehen, um eine informierte Kaufentscheidung zu fällen. Müsste ich hier eine Schulnote vergeben, dann würde ich die Arbeit der Stiftung Warentest aufgrund der obigen Kritikpunkte auf keinen Fall als „sehr gut“ einstufen.
Weitere kritische Beiträge zur Stiftung Warentest